Man darf die Akteure der Ernährungswirtschaft zuweilen arg bedauern.
Jedes Produkt muss mit der höchstmöglichen „Fitness“ ausgestattet werden, um
sich in der jeweiligen ökonomischen Nische ausreichend zu bewähren. Nur
diejenigen Produkte, die vom Verbraucher erworben werden, reproduzieren sich
(oder besser: werden re-produziert). Was sich im biologischen Kontext als andauernder Wettstreit um möglichst vielversprechende Fortpflanzungspartner darstellt, wird
im Supermarkt am Verbraucher entschieden (Pardon für diesen Vergleich!). Die
Wahl des Verbrauchers ist entscheidend. Das Unternehmen befindet sich nun,
übrigens wie auch der Mensch und andere Tiere, in einer misslichen Lage. Das
Ziel des reproduktiven Erfolgs vor Augen, muss das durchschnittliche, wenig
innovative und ganz und gar nicht revolutionäre Produkt vom potentiellen
Partner als überdurchschnittlich erwerbenswert wahrgenommen werden. Was dem
Pfau das eindrucksvolle Gefieder, ist dem Unternehmen die Werbefläche auf
besagten Produkten. Das Flunkern und Beschönigen, welches sogar meist im
legalen Rahmen stattfindet, erhöht die eingesetzte „Produkt-Fitness“ im Kampf um das
eigene ökonomische Überleben. Am Ende darf sich der Verbraucher zu Recht in die
Irre geführt fühlen. Ob sich der weibliche Pfau hingegen ebenso hintergangen fühlt, ist allerdings
nicht überliefert.
Die Blüten, die sich daraus ergeben,
könnten Stoff für Amüsantes bieten, wenn sie die Verbraucher nicht auch
gleichzeitig um eine ehrliche und für jedermann verständliche Aufmachung und
Kennzeichnung bringen würden. Ein Frischkäse, der mit der Aufschrift „mit mildem Ziegenkäse“ umworben wird und ein putziges Zicklein ziert, enthält nur 5
% Ziegenfrischkäse, bei 95 % Kuhmilchfrischkäse. Wäre es da nicht angebrachter
anstelle des Zickleins ein knuffiges Kälbchen abzubilden? Der Schokoriegel mit Prädikat
„reichhaltige Milchfüllung“ lässt vernünftigerweise auf den Einsatz von Milch
in der Produktion des Riegels schließen, stattdessen ist Magermilchpulver der
Grundstoff dieser Reichhaltigkeit. Wohl kaum das, was Verbraucher unter der
klassischen Bedeutung des Begriffs „Milch“ verstehen. Auch ein als
Apfel-Himbeer-Früchteriegel bezeichneter Snack, der viermal so viel Banane wie
Himbeere enthält, läuft dem gesunden Menschenverstand
zuwider, wenn er nicht konsequenterweise nach den bedeutendsten Fruchtanteilen als Apfel-Bananen-Riegel benannt wird. Am Ende fragt sich der Verbraucher mit aller Berechtigung: "Wie nur um alles in der Welt....!?". Es scheint als wäre der Supermarkt der ideale Ort eines irgendwie anders auszulegenden und zu verstehenden Logikverständnisses.
Ein Gegengewicht zu dieser
problematischen Entwicklung ist seit Sommer 2011 im Netz zu finden. Diese
Meldung ist zwar nicht hochaktuell, aber dadurch nicht weniger empfehlenswert.
Die geschilderte Situation hat ein Projekt zwischen dem Verbraucherzentrale Bundesverband
e.V. und den Verbraucherzentralen der Länder zu Tage gefördert, welches unter
dem Motto: „Klarheit und Wahrheit bei
der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln“ läuft und vom
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz finanziell
gefördert wird.
Unter dieser Adresse ist das
Portal zu erreichen und ist jedem anzuraten, der sich für die Belange von
Verbrauchern einsetzen möchte. Die skeptische
Ernährungs-Initiative* unterstützt dieses Projekt ausdrücklich und sieht
sich in ähnlicher Weise dem Verbraucherschutz verpflichtet.
Ziel der Initiative ist der
Schutz des Verbrauchers vor Täuschung hinsichtlich irreführender Aufmachungen
und Kennzeichnungen von Lebensmitteln. Daneben soll mehr Transparenz auf dem
Lebensmittelmarkt entstehen und der Verbraucher über gesetzliche Regelungen auf diesem Themengebiet aufgeklärt werden. Das Internetportal gliedert sich in drei
Bereiche:
- Informationsbereich: Kennzeichnungselemente auf Lebensmitteln werden erklärt und es wird über den juristischen Rahmen der Lebensmittelkennzeichnung informiert.
- Produktbezogener Bereich: Der Verbraucher meldet Produkte mit Täuschungspotential. Die Verbraucherzentrale Hessen stellt nach Eignungsprüfung durch eine Fachredaktion die Meldung ins Portal. Innerhalb einer Frist kann das betroffene Unternehmen eine kurze Stellungnahme abgeben.
- Diskussionsbereich: Hier besteht die Möglichkeit zu moderierten Chats und der Teilnahme an einem Expertenforum.
Das Besondere an
lebensmittelklarheit.de ist, dass die theoretische Diskussion zur
Kennzeichnungsdebatte vergegenständlicht wird, indem konkrete
Produkte benannt werden. Die Ernährungsindustrie sieht diesen Teil des Projekts
naturgemäß kritisch und erkennt eine Möglichkeit des Missbrauchs darin. So
könnten Konkurrenten Negativ-Meldungen lancieren und sich hierdurch einen
Wettbewerbsvorteil versprechen. Auch sieht sie die Gefahr des Internetprangers
gegeben und das, laut ihrer Meinung, zu Unrecht, da die Lebensmittel an sich
gesetzeskonform produziert, aufgemacht und gekennzeichnet würden. Allerdings lässt sich hier
entgegnen, dass erstens nicht alle Produkte, die auf dem Markt sind beanstandungsfrei
sind und das zweitens jeder Ansatz, der von gesundem Menschenverstand ausgeht
die Anzahl der wahrgenommen Täuschungsabsichten senken wird.
Der Verbraucher kann sich in
jedem Falle aktiv einbringen und unter Druck der Verbraucherzentralen auf das jeweilige
Unternehmen zur Verbesserung dieser bislang unwürdigen Situation beitragen. So hat
lebensmittelklarheit.de schon in zahlreichen Fällen dazu geführt, dass
Unternehmen Veränderungen an den Aufmachungen und Kennzeichnungen ihrer
Produkte vorgenommen haben. Von der irreführenden Bezeichnung von, für die vegane Ernährung geeigneten Gemüsestäbchen, die Fischeiweiß enthalten konnten, bishin zu nicht ganz so stillen Mineralwässern mit Kohlensäure.
Habt ihr einen eigenen Fall von Täuschungsabsicht ?
Über das Projekt
lebensmittelklarheit.de, hier nachzulesen
Die skeptische Ernährungs-Initiative konzentriert sich
vorwiegend auf ernährungswissenschaftlich nicht vertretbare Aussagen der
Ernährungsindustrie und dient über den kritischen Kommentar auf seine Weise der
Verbraucheraufklärung. In diesem Bereich würden auch alle sogenannten Health-Claims
(gesundheitsbezogene Werbeversprechen auf Lebensmitteln) fallen, die von der
EFSA (European Food Safety Authority) geprüft werden und von welchen nur ein
Bruchteil bislang positiv bewertet wurden. Was so viel bedeutet wie: Bisher haben die
Unternehmen größtenteils mit unfundierten Behauptungen um des Verbrauchers Gunst geworben. Ich werde zum nächsten Mal exemplarisch darstellen wie so eine Bewertung der EFSA aussehen kann. Bis dahin folgt dem gesunden Menschenverstand, bleibt skeptisch, lasst euch nicht täuschen !
Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: Einfach nur Einkaufen.
Thomas Gantert
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