Gastbeitrag: Wie viel "Kind" steckt in Kinderlebensmitteln? Teil 2


Dass speziell für Kinder angepriesene Frühstücksprodukte eigentlich nicht als solche geeignet sind, haben wir bereits in Teil 1 der Serie über Kinderlebensmittel erfahren. Doch es gibt noch weitere Produktgruppen, für die kinderspezifische Werbung gemacht wird. Hierzu zählen Snacks, die im Folgenden vor dem Hintergrund der Kindertauglichkeit näher betrachtet werden sollen.


Joghurts, die groß und stark machen sollen


Informiert man sich auf der Homepage von Danone, dem Hersteller von FruchtZwerge, so findet man die vielversprechende Aussage: „FruchtZwerge unterstützt den Aufbau gesunder Knochen.“ Begründet wird dies mit der im Joghurt enthaltenen Kombination aus Calcium und Vitamin D; beides für den Knochenmetabolismus unerlässliche Substanzen. Mit dieser Werbung werden selbstverständlich weniger die Kinder als vielmehr ihre Eltern angesprochen und an deren Gesundheitsbewusstsein appelliert. Diese können sich im Weiteren detailliert darüber informieren, weshalb FruchtZwerge gesund für ihre Heranwachsenden ist [1]. Verglichen wird die Menge an Calcium und Vitamin D in den kleinen, bunten Bechern mit diversen Lebensmitteln wie Lachs, Milch oder anderen Joghurts. Dabei schneidet ein Becher FruchtZwerge sogar besser ab als 200 ml Vollmilch!

Irreführende Portionsangaben und veraltete Nährstoff-Zufuhrdaten

Ein Becher FruchtZwerge enthalten laut Herstellerangaben 25 % bzw. 30 % der täglichen Zufuhrempfehlung an Vitamin D bzw. Calcium, was einem auf den ersten Blick wirklich viel erscheint.
Auffällig ist jedoch, dass im Text von ebenjenen 25 % Vitamin D die Rede ist, in einer Tabelle im weiteren Verlauf der gleichen Seite jedoch nur noch von 13 % je Becher (50 g Inhalt). Nachgerechnet stimmt die Angabe in der Tabelle (13 %), wobei man sich zwangsläufig fragt, warum im Text offensichtlich von einem Verzehr von 2 Bechern ausgegangen wird – dies aber nicht erwähnt wird. Das ärgert mich als Verbraucher durchaus, weil diese Information gezielt auf der Strecke bleibt. Desweiteren berücksichtigt Danone nicht, dass die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) im Jahre 2012 die Bedarfswerte für Vitamin D von 5 µg (für Kinder) auf 20 µg/d angehoben hat [2]. Gerechnet auf zwei Becher FruchtZwerge (1,25 µg Vitamin D) enthalten diese nur noch 6,25 % der empfohlenen Zufuhr an Vitamin D. Verzehrt ein Kind lediglich einen Becher am Tag, so ist die Zufuhr an Vitamin D kaum der Rede wert und dementsprechend für die Werbung völlig irrelevant.

Wirbt ein Konzern offensiv mit dem Vorhandensein diverser Nährstoffe, so muss er sich m. E. auch ab und zu darüber informieren, ob die Angaben noch aktuell sind. Die Kapazitäten dafür sind bei Danone mit Sicherheit vorhanden. Abgesehen von einer lächerlich geringen Menge an Vitamin D sind pro Becher 6,4 g Zucker zu finden. Dies ist nicht übermäßig viel, aber stellen Sie sich vor, dass in so einem kleinen Becher zwei Stück Würfelzucker enthalten sind (wir erinnern uns: ein Stück Würfelzucker wiegt 3 g) [3]. Da greift man also besser zu den FruchtZwergen mit dem Label „weniger süss“, oder? Diese entpuppen sich jedoch bei genauerem Hinsehen als … ja ich würde es als Verbrauchertäuschung betiteln, denn die Bezeichnung „weniger süss“ bedeutet lediglich eine Einsparung von 1 g Zucker – einem lächerlichen Drittel Würfelzucker [4]. So habe ich meinem FruchtZwerge Becher „weniger süss“ anstatt zwei Stück Würfelzucker „nur“ noch 1 2/3 Stücke.


Danone vertreibt auch Joghurts, die ganz gezielt die kleinsten unter den Supermarktbesuchern ansprechen und zum Zugreifen animieren. Betrachten wir folgendes Beispiel: Joghurts aus der Reihe „Disney“ [5].

Süßigkeiten in Comic-Gestalt - gezielte Werbung für Kinder

Bunt, mit großen Figuren und intensiver Färbung sichern sich die Verpackungen die Aufmerksamkeit der Kleinen. Sowohl Mädchen als auch Jungen finden ihren ganz persönlichen Helden auf den Produkten. Auch für jeden Geschmack ist etwas dabei: püriert ohne Fruchtstücke oder mit dem extra Knusperspaß. Doch eins haben alle 8 Produkte gemeinsam: im Schnitt enthalten sie 17.8 g Zucker pro Becher. Wie wir im ersten Teil der Serie gelernt haben, schwanken die Zufuhrempfehlungen je nach Quelle. Im Studium bekamen wir einen Wert von 50 g pro Tag vermittelt; die DGE empfiehlt jedoch > 80 g Zucker pro Tag über Lebensmittel aufzunehmen.


Gingen wir von der Verlässlichkeit des ersten Wertes aus, so würde ein Kind mit einem Becher Joghurt aus dieser Disney-Reihe alleine 35,6 % des täglichen Bedarfs an Zucker decken!

Auch der Beginn des aufgedruckten Satzes, der sich direkt von der Zutatenliste befindet: „Joghurt gesüßt und aromatisiert mit …“ wirkt auf mich nicht gerade vertrauenserweckend. Warum muss man Kindern extra gesüßte und zusätzlich aromatisierte Produkte anbieten? Vor allem Letzteres greift in die Geschmacksentwicklung der Kinder ein. Fast jedem von uns sind die Berichte bekannt, in denen mit Fertigprodukten aufgewachsene Kinder frisch zubereitetes Essen als zu fade empfinden. Weshalb? Weil Fertigprodukte oftmals viel Salz und Aromen enthalten und sich der Geschmackssinn an diese Intensivität gewöhnt. Sicherlich darf man seinem Kind so ein Industriejoghurt gönnen, nur eben nicht jeden Tag.

Die Alternative

Ein leckeres Joghurt lässt auch selber leicht herstellen: Naturjoghurt, Obst für die Süße (bspw. Bananen, Erdbeeren oder Trockenobst), nur leicht gesüßte Cerealien oder ein paar Schokodrops. Diese Variante wird den Kleinen mit Sicherheit ebenso vorzüglich schmecken wie das industrielle Pendant. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass man das Kind in die Herstellung „seines“ Joghurts mit einbeziehen kann.

Zwischenbericht

Hinsichtlich der Joghurts lässt sich abschließend sagen, dass hier sowohl die Eltern – über vermeintlich gesunde und wichtige Nährstoffe – als auch die Kinder mittels bunter und kindergerechter Aufmachung geködert werden. Industrielle Joghurts enthalten aber oftmals viel zu viel Zucker und werden teilweise sogar extra aromatisiert. Für den täglichen Verzehr sind diese Produkte daher nicht geeignet.


Der „kuhle“ Pudding Paula

Nicht nur Joghurts sind bei Kindern beliebt, sondern auch Pudding. Ein im Supermarkt erhältliches Produkt ist „Paula“, ein Pudding von Dr. Oetker. Auf einer extra für Paula eingerichteten Homepage, können Kinder „Spiel und Spaß“ praktizieren sowie Eltern und Lehrer sich über die Vorteile des Puddings informieren [6]. Positiv wird auf dort vermerkt, dass der Pudding aus dem Besten der Milch besteht, ohne Konservierungsstoffe (laut Gesetz) auskommt und einen „köstlichen und kindgerechten Pudding-Spaß“ darstellt. Paula ist außerdem der „erste Pudding speziell für Kinder von Dr. Oetker“. Paula kommt in drei verschiedenen Variationen daher, von denen wir den „Milchcreme mit Schoko-Haselnuss-Flecken“ Pudding näher betrachten:



Ähnlich der bereits untersuchten Joghurtprodukte von Danone enthält auch hier ein Becher (125 g) 17,0 g Zucker. In Würfelzucker gerechnet finden sich über 5 ½ Stücke in einem Puddingbecher wieder. Ich muss nicht noch einmal erwähnen, dass das doch recht viel ist für ein speziell für Kinder designtes Produkt.

Was ist nun aber dran an den Versprechen, die Dr. Oetker auf der Paula-Homepage liefert?

Vollmilch (und nicht nur irgendein Milchpulverprodukt) steht mit 84 % an erster Stelle der Zutatenliste. Somit ist das Versprechen „Mit dem Besten aus der Milch“ nicht völlig aus der Luft gegriffen und durchaus legitim. Gefolgt wird die Milch jedoch von Invertzuckersirup und Zucker an zweiter und dritter Position. Die doppelte Zuckerladung, könnte man sagen. Nach der modifizierten Stärke reihen sich 0,5 % fettarmer Kakao und endlich die Haselnusskerne in die Liste mit ein. Ich als Verbraucher hätte bei einem Pudding mit 30 % Schokolade allerdings etwas mehr Kakao erwartet. Leider fehlt außerdem bei den Haselnüssen die Mengenangabe, aber da sich diese Zutat an 6. Stelle befindet und bereits die erste Zutat Milch schon 84 % des Produktes einnimmt, können die Haselnüsse nicht ganz so reichlich vorhanden sein, wie man sich das wünschen würde. Weiterhin finden sich wieder einmal Aroma sowie noch einmal Zucker in Form von Karamellzuckersirup im „kindgerechten“ Pudding.

Ehrlich gesagt kann ich an der Zutatenliste nichts finden, das auf einen Pudding „speziell für Kinder“ hindeutet. Bis auf die Vollmilch scheint der Pudding vor allem aus Zucker und für die Nährstoffzufuhr irrelevanten Zutaten zu bestehen. Das Versprechen des „kindgerechten Puddings“ wird meiner Meinung nach keinesfalls eingelöst und stellt daher eine leere Phrase dar, mit der der Konsument zum Kauf animiert wird.

Mein Tipp: Pudding lieber selber machen – es dauert nicht lange und man kann ein Auge auf die Zuckermenge haben sowie diese auf den individuellen Geschmack des Kindes anpassen.


Ferrero: Kinderprodukte = Produkte für Kinder?

Die Kinderprodukte von Ferrero sind nicht nur bei den Kleinen beliebt, sondern auch bei Jugendlichen und Erwachsenen. Als Pausensnack, Nachtisch oder einfach für Zwischendurch landen Kinder Riegel, Kinder Schoko-Bons, Kinder Country und Co. im Einkaufswagen. Der Werbefokus von Ferrero liegt bei dieser Produktreihe weniger auf Seiten der Aufmachung als vielmehr bei dem Vertriebsnamen der einzelnen Lebensmittel. Die Schnitten und Riegel sind in den klassischen Kinderfarben Blau, Weiß und Rot verpackt, was alle Altersklassen gleichermaßen anspricht. Die Bezeichnung Kinder auf jedem der Produkte suggeriert aber ganz offensichtlich: dieses Erzeugnis ist für Kinder hergestellt worden.

Doch sind die Produkte der Kinderreihe tatsächlich für Kinder geeignet bzw. sollten sie auf dem täglichen Speiseplan stehen?

Beispielhaft sollen Kinder Riegel, Kinder Happy Hippo und die Kinder Schoko Bons betrachtet werden.

Zuerst sei bemerkt, dass auf der Homepage von Ferrero weder Angaben zu den Inhaltsstoffen noch zu den Nährwerten gemacht werden. Die muss man sich in den Weiten des Internets oder im Supermarkt selber in Kleinstarbeit zusammen suchen. Letzteres habe ich gemacht.

Ein Kinder Riegel wiegt gerade einmal 12,5 g, worin stolze 6,6 g Zucker verarbeitet sind. Diese Menge entspricht knapp über 2 Stück Würfelzucker. Angeführt wird die Zutatenliste von Vollmilchschokolade, deren Hauptbestandteil Zucker ist. Weil das natürlich noch nicht genug des süßes Stoffes ist, nimmt Zucker auch noch den zweiten Platz auf der Liste ein. Ansonsten ist die Zutatenliste nicht besonders lang. Es finden sich nach dem Zucker noch Magermilchpulver, Butterreinfett, Emulgatoren und als obligatorisches Aroma das Vanillin wieder. Laut Hersteller beläuft sich der Gesamtmilchgehalt im Produkt auf 33 % und die Gesamtkakaomasse auf 13 %. Wer jedoch die TV Werbung für Kinderriegel kennt (ein weibliches Glas Milch und ein männlicher Schokoriegel, bei denen die Liebe ausgebrochen ist) erwartet mit Sicherheit etwas mehr Milch und vor allem mehr Kakao. Dennoch ist bis auf den hohen Zuckergehalt, der für Süßigkeiten nun einmal charakteristisch ist, nicht viel auszusetzen.
 
Auch das zweite Produkt, der Kinder Happy Hippo Snack, spart nicht mit Zucker. Auf 20,7 g Produktgewicht kommen 9 g Zucker – 3 Stück Würfelzucker. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Zucker die erste Stelle in der Zutatenliste einnimmt, welche um einiges länger als die der Kinder Riegel ist. Dies liegt allerdings auch daran, dass Happy Hippo aufwendiger gestaltet ist als ein bloßer Riegel. Ernsthaft fragwürdige Zutaten finden sich hier dennoch ebenso wenig wie beim Kinder Riegel.

Ähnlich sieht es bei den Schoko-Bons aus, wobei hier der Gipfel aller Zuckermassen erreicht zu sein scheint. Ein einziger Schoko-Bon (5,8 g) besteht aus ganzen 3 g Zucker! Nachdem wir andere Kinderprodukte kennengelernt haben, ist dies aber auch nicht weiter verwunderlich. Neben den bereits bekannten und zu erwartenden Zutaten Zucker, diversen Milchbestandteilen, Vanillin und Haselnüssen ist jedoch noch ein unbekanntes Aroma zugesetzt. Was aber sucht so viel Aroma in einer kleinen Schokoladenkugel? Desweiteren werden die Schoko-Bons mit Schelllack überzogen, was in der Lebensmittelverarbeitung bei Schokoladendragés häufiger der Fall ist. Diese Substanz wird aus Gummilack, einem Ausscheidungsprodukt der Lackschildlaus gewonnen. Hierfür wird der Lack von den Ästen der Bäume, auf denen die Laus lebt, mittels diverser Methoden isoliert [7]. Ob man das zu sich nehmen möchte, bleibt jedem selbst überlassen.


Die Produkte von Ferrero, die durch ihren Namen eine Spezifität für Kinder nahelegen, fallen vor allem durch ihren hohen Zuckergehalt auf. Besonders die kleinen Schoko-Bons bestehen zu über 50 % aus Zucker. Dieser Umstand sollte meiner Meinung nach dazu beitragen, dass die Produkte nicht speziell – und sei es bloß über den Produktreihennamen - für Kinder vermarktet werden.

Sie sind und bleiben Süßigkeiten, die man seinem Kind ab und zu kaufen kann. Für den täglichen Verzehr eigenen sie sich jedoch keinesfalls.

[Anmerkung von Thomas Gantert: Wie stark die Firmenphilosophie von Ferrero vom gesunden Menschenverstand abweicht, kann beispielhaft am abgelehnten Health Cleam für ihre KinderSchokolade gesehen werden, die da lautete: "KinderSchokolade, die Schokolade, die Dir wachsen hilft".]

Fazit

Wie bereits in Teil 1 zum Frühstück für Kinder festgestellt, enthalten auch die hier untersuchten, speziell für Kinder entwickelte Produkte zu viel Zucker. Dies ist absolut nicht nötig, denn wenn die Kinder es gewohnt sind, schmecken ihnen auch weniger süße Joghurts oder Riegel. Aber die Hersteller machen sich scheinbar die evolutionsbedingte Affinität zu süßen Lebensmitteln zu Nutze. Desweiteren werden manchen Kinderprodukten Aromen zugesetzt, die meiner Meinung nach dort nichts zu suchen haben. Kindern sollte nicht schon in jungen Jahren der Verzehr von aromatisierten Lebensmitteln „antrainiert“ werden. Eltern wie Kinder werden jedoch durch vielerlei Maßnahmen zum Kauf solcher für Kinder entwickelten Produkte animiert. Bei den Erwachsenen wird das Gesundheitsbewusstsein angesprochen und bei Kindern die Aufmerksamkeit durch bunte Verpackungen, auf denen witzige oder heldenhafte Figuren prangen, erregt.

Die beste Alternative stellt ganz klassisch das Selbermachen dar. Man kann hierbei den Zusatz diverser (Nähr-)Stoffe selber bestimmen und gleichzeitig auf die individuellen Wünsche des Kindes eingehen. Selbstverständlich muss man seinem Kind industriell hergestellte „Snacks“ nicht komplett verwehren, aber sie sollten definitiv in Maßen gekauft und verzehrt werden.


[3] Wikipedia: Würfelzucker
[7] Wikipedia: Schelllack


Sina S. [zur Autorin: Master-Studentin Ernährungsmedizin]

Nochmals Herzlichen Dank Sina für Deinen Unterstützung der skeptischen Ernährungs-Initiative !

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