Das Antioxidantien-Paradoxon - one antioxidant does not fit them all

Der Gedankengang war zunächst einleuchtend. Rauchen fördert den oxidativen Stress im menschlichen Körper, insbesondere in direkt betroffenen Organen, wie der Lunge. Gleichzeitig weisen Raucher auch scheinbar entleerte Antioxidantien-Speicher auf, Substanzen die den ausgelösten oxidativen Vorgängen Einhalt gebieten könnten. Ein präventiver Therapieansatz, abseits der Rauchabstinenz, war damit schnell identifiziert: die Antioxidantien-Supplementation. Die Ernüchterung ließ allerdings nicht lange auf sich warten. Anstatt sich an der Verlängerung der
Patientenlebenszeit zu erfreuen, musste die betroffene Studie vorzeitig abgebrochen werden. Grund hierfür war entgegen aller Erwartung eine höhere Sterblichkeit unter supplementierenden Probanden. Diese Studie (namentlich: ATBC-Studie) ist vermutlich eine der bekanntesten Beispiele für die schädliche Wirkung von hochdosierten Antioxidantien. Tatsächlich besteht heute in Fachkreisen Einigkeit darüber, dass Multivitaminpräparate wenig bis gar keinen Nutzen mit sich bringen, oder dem Konsumenten gar erheblich schaden. 

Das Verblüffende an dieser Entwicklung ist, sie lehrt uns eines auf sehr deutliche Weise: eine menschengemachte Kategorisierung hat eine zeitliche und kontextuelle Dimension, der man sich immer bewusst sein sollte. Sie ist zu großen Teilen willkürlich und deshalb anfällig für vermeintlich paradoxe Eigenschaften. Konkret bedeutet das, dass man den sogenannten Antioxidantien nie erlaubt hat auch etwas anderes zu sein, z.B. sogar je nach Kontext pro-oxidative Eigenschaften zu besitzen.

Einen erstaunlichen Einblick in diese Perspektive erlaubt eine erst kürzlich in der Fachzeitschrift  "Redox Biology" erschienene Publikation unter dem Titel: "The shifting perception on antioxidants: The case of vitamin E and beta- carotene" von Vrolijk et al.. Die niederländischen Forscher haben in dieser Studie versucht einen möglichen molekularen Mechanismus aufzudecken, nach dem beide Antioxidantien gewebeschädigend wirken können. Paradoxerweise konnten sie zeigen, dass beide Substanzen das körpereigene antioxidative System nicht stärken, sondern schwächen. Dies geschieht durch eine, durch die Antioxidantien hervorgerufene, Verminderung der Enzymaktivität von GST, eines der wichtigsten Komponenten des endogenen antioxidativen Systems. In ihren in-vitro Experimenten konnten sich daraufhin mehr und mehr Erbgutveränderungen nachweisen, die letztlich zu einer Entartung des Gewebes führen könnten.

Versuchen wir diese Erkenntnisse vor dem Hintergrund des Scheiterns der Antioxidantien-Therapie einzuordnen, so entpuppt sich die vermeintliche Löschhilfe als Brandbeschleuniger eines größeren oxidativen Feuers. Eine tragische Entwicklung, die in letzter Konsequenz Menschenleben einforderte.

Die Forscher fordern daraufhin wichtige Grundsätze im Umgang mit Antioxidantien. Zum einen sollten sie niemals als Stoffgruppe betrachtet werden, da sie unterschiedlicher biochemischer Natur sind und voneinander abweichende Wirkmechanismen haben. Personengruppen, die von spezifischen Antioxidantien profitieren oder von ihnen Schaden nehmen, müssen identifiziert werden, um einen sinnvollen Einsatz zu gewährleisten Und zentral zum Thema Antioxidantien-Paradoxon - die Toxizität muss kontextabhängig in Betracht gezogen werden.

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